Regelecke – Heute: Markieren

Wer von euch hat sich schon mal die Zeit genommen, die Turnierbridgeregeln und die Wettkampfordnung gelesen? Die meisten wohl nicht oder nicht sehr gründlich. Daher haben einige “gefährliches Halbwissen”. Das möchten wir ein wenig verbessern und euch in einer “Regelecke” immer wieder mit Regel-Information füttern. Anlass für den heutigen Beitrag ist ein Fall aus dem Turnier am Montag den 24. Oktober.

Ein erfahrener Spieler [1] ist in einem 3NT-Kontrakt, bemerkt einen Abwurf eines Gegenspielers (3) und erkundigt sich, welche Vereinbarung die Gegner über Marken im Abwurf getroffen haben. Er erfährt, dass die Gegner ungerade Zumarken spielen und nimmt an, dass der Spieler, der diese Marke gegeben hat, das Ass hat, was für das Abspiel wichtig ist. Es stellt sich heraus, dass dieser Spieler das Ass jedoch nicht hatte. Der Alleinspieler ist aufgebracht, meint, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, dass er falsch informiert worden wäre, erweckt bei den andern Personen (und danach auch beim Turnierleiter) den Eindruck, den Gegnern unethisches Verhalten vorzuwerfen und holt die Turnierleitung. Überlegt euch mal, wie ihr über diese Situation denkt.

Zuerst einmal zur Kernfrage der Auskunft.

War die Auskunft richtig? Hier ist eine Konventionskarte hilfreich, die dokumentiert, welche Vereinbarungen man hat. Das ist bei Hausturnieren nicht vorgeschrieben. In diesem Fall war die Auskunft sicherlich korrekt (verbreitete Übereinkunft und mir als Turnierleiter auch für das Paar bekannt).

Muss der Partner richtig markieren? Natürlich nicht, schon weil es hier kein absolutes “richtig” gibt:

  • Man hat oft keine Karte für die richtige Marke, oder markiert Herz, weil man nicht will, dass der Partner eine andere Farbe spielt.
  • Man meint, dass der Partner keine Marke braucht, zum Beispiel weil er mangels Punkten eh nicht zu Stich kommen dürfte.
  • Man ist müde oder aus sonstigen Gründen unaufmerksam.
  • Man will vielleicht sogar absichtlich den Gegner täuschen.

Ja darf man denn das?

Man darf, solange der Partner von der Marke genauso getäuscht wird.

Die Wettkampfordnung [3] sagt unter A8.16 auch explizit etwas zum Thema Falsches Markieren der Gegenspieler:

Unter der Voraussetzung, dass die vereinbarten Bedeutungen und Erwartungen der Spiele der Gegenspieler wahrheitsgetreu bekannt gegeben werden, ist gelegentliches Falschmarkieren der Gegenspieler regelkonform. Der Alleinspieler verlässt sich dann auf eigenes Risiko auf seine Interpretation der gespielten Karten (siehe „Unerlaubte Information“).

Dazu möchte ich auch Regel 73E der TBR [2] zitieren: 

Ein Spieler darf korrekterweise versuchen, einen Gegner durch eine Ansage oder ein Spiel zu täuschen (solange die Täuschung nicht durch unangemessene Hast oder Zögern unterstützt wird, und auch nicht durch eine nicht bekanntgegebene Partnerschaftsvereinbarung oder –erfahrung) geschützt ist.

In diesem Fall war daher aus Sicht der Turnierleitung alles in Ordnung. Beachtet aber auch den Passus in Regel 73E: wenn ihr aus eurer Erfahrung mit eurem Partner Kenntnisse habt, die eure Interpretationen der Ansagen oder Spiele des Partners beeinflussen, dann müsst ihr diese Informationen auch den Gegnern bekanntgeben. Solltet ihr also beispielsweise mit eurem Partner hohe Zumarken vereinbart haben, und der Partner gibt so gut wie immer niedrige Zumarken, und wenn ihr das auch in euren Entscheidungen berücksichtigt, dann ist das dem Gegner bekannzugeben, wenn ihr gefragt werdet.

Sollte eine Partnerschaft soweit gehen, zu vereinbaren, dass sie ein Markierungssystem spielen und dem Gegner ein anderes beauskunften, dann wäre das unethisch, Betrug, und würde streng bestraft werden.

Ich erlebe immer wieder, dass ich zur Auskunft bekomme: wir haben keine Vereinbarung. Und manchesmal von Paaren, die bekanntermaßen schon viele Jahre zusammenspielen. Das wirkt ziemlich unglaubwürdig, weil hier über die Zeit sicher implizite Vereinbarungen entstanden sind. Wenn dies das Markierungssystem betrifft, und die Partnerschaft die Nicht-Marken des jeweiligen Anderen so gut wie immer korrekt interpretiert, obwohl es “keine Vereinbarung” gibt – da ist der vorige Absatz nicht weit weg.

Im Übrigen sollte man sehr vorsichtig sein, den Gegnern unethisches Verhalten (auch nur implizit angedeuteterweise) vorzuwerfen. Dazu sagt Punkt 3.1.20 der WKO [3]:

Dem Gegner unethisches Verhalten vorzuwerfen, ist grob beleidigend und zieht eine Disziplinarstrafe nach sich. Wenn Sie glauben, Grund zur Annahme zu haben, der Gegner hätte einen Verstoß gegen die Ethik-Regeln begangen oder spielfremde Information benutzt, rufen Sie die Turnierleitung. In letzterem Fall können Sie sich (auch nach dem Turnier) an den Begutachtungsausschuss wenden.

[1] Der Lesbarkeit halber wird hier ausschließlich ein Geschlecht verwendet, unabhängig von den Protagonisten, beim nächsten mal sind die Spielerinnen dran, die hier genauso mitgemeint sind.

[2] Turnierbridgeregeln 2017: https://www.bridgeaustria.at/wp-content/uploads/2017/08/Turnierbridgeregeln-2017_mit-Markierung.pdf

[3] Wettkampfordnung 2023: https://www.bridgeaustria.at/wp-content/uploads/2023/07/WKO_2023.pdf